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Soziabilität

Das Forschungsfeld „Soziabilität“ untersucht unterschiedliche Gruppierungen und Gemeinschaften wie Familie, Klostergemeinschaft, Bruderschaft, Gemeinde, Bürgerschaft, Hofgesellschaft. Leitfragen sind hier: Inwiefern strukturiert die Kategorie Dis/ability jeweils spezifische Gemeinschaften? Wie ist Dis/ability in bestimmten Gemeinschaften organisiert? Wie trägt Dis/ability zur Herausbildung von Gruppenidentitäten bei?

Für das Projekt „Das Armenhaus Bremens? Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Bevölkerung der Bremen-Steffensstadt. Eine vergleichende archäologisch-anthropologische Analyse“ (Uta Halle) ist eine Forschungs- und Lehrgrabung mit einem Leitungsteam aus Archäologen und Anthropologen auf dem Kirchhofgelände der Stephanikirche (heute Kulturkirche) vorgesehen. Die Steffensstadt (heute: Stephaniviertel) entstand und entwickelte sich seit dem 9. Jahrhundert vergleichbar dem Altstadtkern auf der Kuppe und am Hang einer nacheiszeitlichen Sanddüne. Im Unterschied zur Altstadt besaß sie bis zum 10. Jahrhundert einen eher dörflichen Charakter, da die Bevölkerung überwiegend vom Fischfang und von der Schifffahrt lebte. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde die Siedlung in den Stadtmauerbereich der wachsenden Stadt Bremen mit einbezogen. Im Gegensatz zur Altstadt zeigte dieses neue Stadtviertel eine dichte Bebauung und einen schnellen Anstieg der Bevölkerung, blieb aber bis in die Neuzeit das ärmste Viertel Bremens. Ab etwa 1700 stand hier bis 1912 das Armenhaus Bremens mit Arbeits-, Schlaf- und Speiseräumen, in dem zwischen 200 und 300 alte und bedürftige Menschen lebten. Die Toten des Armenhauses wurden wohl ebenso wie zahlreiche Tote der Pestepidemien auf dem Stephanikirchhof bestattet.
Bei der Forschungsgrabung auf diesem Friedhof sind menschliche Überreste zu erwarten, deren anthropologische Auswertung einen Überblick über die Bevölkerung dieses Stadtteils liefern kann. Aufgrund der bisher bekannten schriftlichen Überlieferung ist hier gegenüber anderen Stadtbezirken mit deutlich mehr Erkrankungen und degenerativen Veränderungen, die sich am Knochen manifestiert haben und die auf die schlechteren Lebens- und die härteren Arbeitsbedingungen zurückgeführt werden können, zu rechnen. Dies wird sich in unmittelbaren Vergleichen mit den Ergebnissen des Forschungsprojektes „Anthropologisch-osteologische Untersuchung zu Krankheit und Versehrtheit der Bevölkerung Bremens im Mittelalter“ erhärten lassen. Erstmals werden in Bremen neue Analysemethoden zur parasitären Belastung der Bevölkerung angewandt.

In ihrem Promotionsvorhaben „Auffälligkeiten auf mittelalterlichen Gräberfeldern“ untersucht Cathrin Hähn, anschließend an ihre Magisterarbeit zum Thema „Monstrositäten auf merowingerzeitlichen Gräberfeldern – Hinweise auf Integration und Ausgrenzung von Menschen mit körperlichen Abweichungen anhand von Grabfunden“ (Marburg 2010), den Zusammenhang von körperlichen Besonderheiten und Besonderheiten im frühmittelalterlichen Bestattungsmodus. Auch hier stehen archäologische Quellen im Mittelpunkt, ergänzend werden Bild- und Textquellen herangezogen.

Klaus-Peter Horn untersucht in seinem Promotionsprojekt „Behinderte und chronisch Kranke im Frühmittelalter – zwischen Sozialfürsorge und Ausgrenzung“ anhand von Wunderberichten die Haltungen und Verhaltensweisen von Sozialverbänden – Familie, Freunde, Hof- und Dorfgemeinschaft – gegenüber ihren weniger „nützlichen“ Mitgliedern, die aufgrund angeborener oder erworbener Körperschäden und Sinnesbeeinträchtigungen nur eingeschränkt arbeits- und funktionstüchtig waren.

Jan Ulrich Büttner widmet sich „Beeinträchtigung im Kontext klösterlicher Normen und Regelwerke“: Nach dem Vorbild der Benediktregel wurde für viele Klöster die cura infirmorum, die Fürsorge für kranke Konventsmitglieder, vorgeschrieben. Zugleich war der Status von Kranken prekär, da leicht der Verdacht aufkam, sie wollten sich als Simulanten Bequemlichkeiten erschleichen. Das Projekt untersucht die zwiespältigen Haltungen im Umgang mit Kranken in der Zeit der Klosterreformen vom 9. bis 11. Jahrhundert.

Das Promotionsprojekt von Alexander Grimm “Kinderlosigkeit reichsfürstlicher Ehen im 15. und frühen 16. Jahrhundert” untersucht Kinderlosigkeit als ein Phänomen mit vielfältigen Implikationen für individuelle Lebenslagen, familiale Rollengefüge und dynastisch-politische Entwicklungen. Vor dem Hintergrund des hohen Stellenwertes, den Nachkommen für den Adel hatten, werden individuelle und kollektive Strategien, ehelichen Kinderreichtum zu erzielen, Fruchtbarkeit zu fördern, generatives ‚Versagen‘ zu deuten und zu bewältigen sowie Alternativen bei Kinderlosigkeit in den Blick genommen. Das Vorhaben verknüpft verschiedene jüngere Forschungsansätze der Geschlechter-, Familien-, Körper- und Alltagsgeschichte mit klassischen Herangehensweisen der Sozial- und Kulturgeschichte, um Selbst- und Fremdwahrnehmungen, Handlungsspielräume und Verhaltensmuster innerhalb des sozialen Verbandes offen zu legen.

Dem fürstlichen Adel widmet sich ebenfalls Jana Sonntag in ihrem Promotionsprojekt „Familie – Körper – Herrschaft. Zur Rolle körperlicher und geistiger (Un-)Tüchtigkeit im fürstlichen Adel am Beispiel der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg im 15. und 16. Jahrhundert“. Sie untersucht anhand von Briefen und Urkunden, wie sich körperliche, geistige und seelische Beeinträchtigungen adliger Frauen und Männer auf die Familienbeziehungen, die Karrieren, die dynastische Politik und den Erhalt der Herrschaft auswirkten. Gravierende Probleme warf z. B. der Umgang mit einem Herrscher auf, der Schübe von Geisteskrankheit erlitt, seine Regierungsgeschäfte nicht erledigen konnte, seine Angehörigen und Diener tätlich angriff und sich nicht ruhigstellen lassen wollte. Aber auch die Kinderlosigkeit eines Regentenpaares konnte ein geradezu „behinderndes“ Defizit darstellen.

Aktuelles

Neuerscheinung: Dis/ability History der Vormoderne. Ein Handbuch / Premodern Dis/ability History. A Companion, hg. v. Cordula Nolte, Bianca Frohne, Uta Halle, Sonja Kerth, Affalterbach 2017.

Disability History der Vormoderne Weitere Informationen


Workshop “Perspektiven der Dis/ability History im interdisziplinären und internationalen Verbund”,

  1. – 7. Februar 2016 (Delmenhorst, Hanse-Wissenschaftskolleg) Weitere Informationen

Workshop “Images of Dis/ability”. Disease, Disability & Medicine in Medieval Europe, 9th Annual Meeting, Bremen, 4.-6. Dez. 2015. Weitere Informationen


Neu: Swantje Köbsell: LeibEigenschaften - eine barrierefreie Ausstellung über den Umgang mit Beeinträchtigungen in der Vormoderne, in: Handbuch Behindertenrechtskonvention (2015). Zu Entstehungshintergrund, Idee und Umsetzung der Bremer Ausstellung von 2012.


Neu: Dissertation von Bianca Frohne: Leben mit »kranckhait« Der gebrechliche Körper in der häuslichen Überlieferung des 15. und 16. Jahrhunderts Überlegungen zu einer Disability History der Vormoderne (Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters 9), Affalterbach 2014. Weitere Informationen


Interdisziplinäres Ringseminar an der Universität Bremen: “Dis/ability History. Ein neuer Blick auf die Geschichte”. Wintersemester 2014/15, Freitags von 10 – 12 Uhr, GW2, Raum B 2880. Weitere Informationen


2014 Conference on Disease, Disability and Medicine in Medieval Europe: Infection and Long-Term Sickness. University of Nottingham, 6./7. Dezember 2014. Weitere Informationen


Graduate Workshop on Medieval Disability, University of Nottingham, 5. Dezember 2014. Weitere Informationen


Workshop: „Dis/ability History, Literaturwissenschaft und Sprachgeschichte im Dialog” unter der Leitung von PD Dr. Sonja Kerth und Dr. Heiko Hiltmann (Universität Bremen). Bremen, Gästehaus am Teerhof, 10./11. Oktober 2014.
Weitere Informationen


Workshop: „Dis/ability: Archäologie & Anthropologie - Funde und Befunde”
unter der Leitung von Prof. Dr. Uta Halle (Universität Bremen), Dr. Christina Lee (University of Nottingham) und PD Dr. Wolf-Rüdiger Teegen (Ludwig-Maximilians-Universität München). Hanse-Wissenschaftskolleg Delmenhorst, 13./14. Juni 2014 . Mehr


Neuerscheinung: Phänomene der “Behinderung” im Alltag. Bausteine zu einer Disability History der Vormoderne, hg. von Cordula Nolte (Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters 8), Affalterbach 2013. Weitere Informationen unter Didymos Verlag


Workshop „Dis/ability and Law in Pre-Modern Societies.
Schnittfelder von Rechtsgeschichte und Dis/ability
History“
unter der Leitung von Prof. Dr. Cordula Nolte (Universität Bremen) und Prof. Dr. Wendy Turner (Georgia Regents University, Augusta). Universität Bremen, 31. Jan./01. Feb. 2014. Mehr


Workshop „Dis/ability History und Medizingeschichte. Begriffe – Konzepte – Modelle“ unter der Leitung von Prof. Dr. Cordula Nolte (Universität Bremen) und Prof. Dr. Dr. Ortrun Riha (Universität Leipzig). Bremen, Gästehaus Teerhof, 16./17. September 2013. Mehr